Transcription of Jakob Sternberger’s first letter home 1850

die feldarbeit wird hier ziemlich gut gezahlt

From: Jakob Sternberger

To: [his family]

Date: November 1850

Content: Jakob describes in great length his travels around Wisconsin, his eventual purchasing of land along with a detailed drawing and description of his newly acquired property.

die feldarbeit wird hier ziemlich gut gezahlt. Es war gerade die Zeit der Weizenernte Ein Mäher erhielt täglich 1 D[ollar] 1 Schilling oder nach unserem Gelde etwa 2 fl. 20 tr C. M. eine Stammer bekam 7 Schilling (der Dollar hat 8 Schilling) oder etwa 1/50 Ch. beide außer dem noch täglich 3 Mal eine sehr reichliche Köste für feldarbeiter u[nd] überhaupt für alle Taglohnarbeiter tritt aber hier in Amerika der üble Umstand hier vor, daß sie beide an denselben Orte keine dauernde Beschäftigung bieten, sondern der Farmer oder der Hausbesitzer läßt nur eben die schwersten Arbeiten von fremden Händen u[nd] auch nur dann machen, wenn seine Kräfte nicht ausreichen, alle übrigen Arbeiten verrichtet er u[nd] seine frau u[nd] Kinder, …eislich [??] selbst. der Eingeborne oder Yankee, welcher sich durch Handarbeit ernähren muß, macht sich auch aus diesem Umstande nicht viel daraus, er ist auf fortwährenden Reise, heute hier morgen 10 Meilen südlicher oder nördlicher, das ist ihm eben egal, er weiß in einigen Jahren kann er als selbständiger Mann eine eigene Farm besitzen. den unbehilflichen deutschen oder überhaupt jedem nicht Eingebornen ist aber dieß von bedeutenden Nachtheil, da er, bis er wegen Mangel an Spracherkenntniß wieder irgendwie Arbeit findet, seinen frühern Lohn aufgezehrt hat. Anders ist es mit Professionisten, diese finden, ich glaube in jeder Stadt Arbeit [und] werden durchgehend gut gezahlt, natürlich darf das Product der Profession kein Luxusartikel sondern nothwendiges Bedürfniß fürs Leben seyn. Arbeiter für Luxuswaren müssen in den großen Städten des Ostens in New York, Boston, Philadelphia oder wie sie heißen mögen bleiben. Alle Luxusartikel selbst Kleider u[nd] Schuhe kauft man in jedem Städtchen fertig u[nd] eben nicht schlechter oder theurer als in deutschland.-

Doch ich merke aber, daß sich das Thema unter der feder aus dohrt u[nd] verwirrt auf diese Art könnte ich 60 b… … [??] schreiben, ehe ich auf dem Papier in Winnebago anlangte. Ich will also nur in Stütze unsere Reise erzählen, u[nd] die durchwanderten Gegende u[nd] Städte beschreiben. Von Milwaukee bis dort, Winnebago ist die Gegend so einförmig als ich sie noch nie auf einen so bedeutenden Strecke (es sind etwa 150 engl[ische] Meile oder etwa 50 deutsche) gefunden habe. Hügel wechseln mit Thälern Openings mit Prarien u[nd] Marschen in ununterbrochene Reihe. Nichts hervortretendes, alles einander so gleich, daß es schwer wird zwischen Gegend die du heute und gestern durchwandert einen anderen Unterschied anzugeben, als etwa die Verschiedenheit der Städtenahmen.- [1/2]

Wenn ich früher sagte die Gegend oder vielmehr das Land sey einförmig, so dürft ihr nicht etwa damit den Begriff an Unschönen verbinden, im Gegentheil das von uns durchwanderte Stück Land ist schön recht schön besonders für die Augen eines Landwirthes, ich sagte deswegen einförmig, als ein Horizont den andern sehr ähnlich ist ja beinahe gleiche [.] Jene Openings sind wie die schönsten Obstgärten, nur mit dem Unterschiede, daß statt der Fruchtbäume Eichen dem Boden entsprossen, in Entfernungen von 10 bis 20 Schritten aus einander, wozwischen in der Regel schönes Strauchwerk oder sehr Gröser wuchern. Um so mehr ähnlichkeit mit Obstgärten haben sie, als die hiesigen Eichen keine so riesige Höhe erreichen, wird überhaupt kein so hohes Alter zu erreichen scheinen, als in den Staaten des Sudens so haben sollen. die Prarien sind ringsum von Hügeln eingeschlossen meistens etwas …förmige [??] flächen mit Manneshohen Gräsern bewachsen, hin u[nd] da schon von der Hand des Menschen mit Mais u[nd] feldfrüchten bepflanzt.

Sie werden deßwegen früher als Openings u[nd] der wald der Cultur [cultivation?] unterzogen, weil der … [??] sich auf den selben keine andere Hindernisse in den Weg stellen, als eine dicke Rasenschicht, welche der Farmer in Juni u[nd] July mit dem Brechpflug umstürzt u[nd] ohne weitere Ackerung [Ackerbau] im künftigen frühjahr mit Mais bepflanzte Marschen sind üppige in der Regel an den Ufern von kleinen flüssen (Creeks) oder Seen gelegner Reisen, welche das beste Heu in enormer Quantitaet liefern. Ich erwähnte früher, daß die Gegend vorzüglich für das Auge eines Oconomen anziehend sey, dieß darum, weil die ganze fläche von Milwaukee bis Winnebago guten mitunter vortrefflichen Boden für Getreide bau hat. Auf der ganzen Reise fanden oder sahen wir (Spaß bei Seite) nicht einen Stein, keine einzige Entblößung des Erdbodens, außer auf den Gipfeln einiger Hügel zerstreute erratische Blöcke (d. h. große Haftsteine [??]) bestehenden eisernes Kalk. der Boden ist entweder Lehm u[nd] Thon mehr oder weniger mit Sand gemengt überlagert von einer dicken Luxusschicht von einigen Zollen bis zu mehrere Fußen dicke. für den Landwirth daher ein wonniger Anblick. Was die Gegend für den Naturbewunderer mangelt sind … [??] Sumen von felsen u[nd] … [??] Buche, welche man nirgends sieht. die flüsse, an welchen das Land einen ungeheuern Reichtum hat, fließen mit wenig Gefälle durch den fetten steinlosen Boden, u[nd] sind meistens mit beinahe Haushohen Schilf u[nd] wilden Reis an den Ufern begränzt; so daß man den Wasserhügel oft Meilenweite nicht zu Gesicht bekömmt. [2/3]


[2/3]
II.

bei solcher Beschaffenheit des Bodens, das heißt bei gänzlichen Mangel an Steinen hingegen einen ungeheuern Reichthum an Holz ist es natürlich, daß man nirgends im Lande gepflasterte Straßen ähnlich der unsrigen in Europa trifft. In der Nähe von Städten ligt man Strassen aus gehauenen Bäumen (Plankroads) an, so fuhren wir eine ziemliche Strecke von Milwaukee gegen Burlington auf einen solchen. Mehr ins Innern findet man nicht als durch Openings u[nd] Wald (Timber) mit der Art gebahnte Wege; auf sumpfigen Stellen der Prairie u[nd] auf Marschen hat man sogenannte Krippelwads, daß heißt Wege aus umgehauenen Baumstämmen hergerichtet. auf denen sichs allerdings sehr holperig fährt.- Was die durchwanderten Städte anbelangt, so läßt sich davon eben nicht viel schreiben, als daß sie alle noch im Entstehen begriffen sind, sie sind übrigens selbst im Entstehen einander so ähnlich, daß einen wesentlichen Unterschied anzugeben, schwer wäre. In der Regel liegen sie an einen von den vielen flüßen oder Seen; da dieselben den Transport von Güter u[nd] Waaren sehr erleichtern. übrigens unterscheidet sich eine amerikanische Landstadt von einer europäischen sehr zu ihrem Vortheil, da man wegen ihrer Neuheit nirgends jene Halbruinen von Häusern u[nd] schmutzigen Hütten findet, deren die Landstädte Europas eine so große Menge zu besitzen sich nähmen können, und was jeden fühlenden Menschen am wohlsten thut, nirgends ist hier Auge der phisischen [physischen] u[nd] moralischen Nacktheit der Proletariats, ausgesetzt; seit meiner Anwesenheit im neuen Vaterlande habe ich noch keinen Einzigen Bettler gesehen, selbst in größeren Städten nicht.- Erwähnen muß ich doch noch der armuthigen Lage 2er [zweier] Städte, dieß ist Jefferson und Lake Mills. Erstere, eine schon ziemlich bedeutende Stadt, liegt auf einem mäßigen Hügel an einem ziemlich wasserreichen fluße (ich glaube gleiches Nahmes) an dessen Ufer so wie in der ganzen hüglischen Umgebung der Stadt die üppigsten Wälder aus Eichen Büche u[nd] Junkerahorn [??] durch ihr dunkles Grün u[nd] ihre recht schöne Gruppirung oder Gegend einen wohlthuenden Zauber verleihen. Was schöner noch jedoch als Jefferson ist Lake Mills, nicht die Stadt, sondern die Gegend. Wir marschirten morgens 6 Uhr von Jefferson, wo wir einen Tag verweilt waren, durch sehr anmuthige zum großen Theil schon der Cultur unterworfene Gegenden, und sangen lustige frohe dinge unsere guten alten deutschen Weisen. [3/4] So näherten wir uns fröhlich u[nd] guten dinge allmählich Lake Mills, nicht ahnend die Schönheit ich möchte sagen Pracht der Natur, die sich an dem herrlichen einige englische 7 Meilen großen See gleichen Namens unserem Auge darbiethen würde. Reist man mit der Absicht; eine schöne Gegend zu besuchen, so macht man sich schon früher gewöhnlich ein Bild derselben in seiner albernen Idee u[nd] ist nicht selten, wenn die Natur oder vielmehr ihr Bild dasselbst dieser vorgefaßten Idee nicht correspondirt getäuscht oder übersieht oft, von jenem voreiligen Urtheile eingenommen, ihre wesentlichsten Schönheiten. Anders ist’s wann man auf einer Wanderung unvermuthet durch den Gruben der Natur berühen wird. Von Wonne durch Hundert standen wir beide wie versteinert u[nd] starrten auf die spiegelglatte fläche des Sees, in welchem sich der herrlich blaue Horizont u[nd] die von Saft stoßenden den, ihn in einen Hügelreiche umgebenden Bäume in den schönsten farben spiegelten. Wo ein Moment des Lebens ist viel, viel werth, wer je in ähnlicher Lage war, und nur der kanns beurtheilen. Wir eilten mit schnellen Schritten ins nahe gelegene Städtchen, warfen unsere Regeln von der Schulter, u[nd] eilten eben so schnell wieder hinaus, uns unsere durch den Marsch etwas müden Glieder in den krystallenen fluthen zu erquicken. Ist man überhaupt nach einem kalten Bade an Körper u[nd] Geist gestärkt, so war dieß um so mehr nach diesem Bade der Fall, wie neugeboren entstigen [entstiegen/ausstiegen] wir dem Wundersee, einige Stunden lang auch saßen wir an seinem herrlichen Ufer, ich einen Cigarre schmachend [??], Paul schweigend vor sich die schöne Natur anstarrend, bis uns endlich der prosaischte Theil des Körpers, den leidige Magen in die Tavern zurücktrieb. die kräftige Amerikanische Küche u[nd] einige Schluck starken Brandys vollendete unser Wohlbehagen oder steigerte es vielmehr bis zum carnibalischen Wohlseyn u[nd] so verließen wir in jeder Art gekräftigt das liebliche Städchen u[nd] den herrlichen See, noch oft unsere Blicke darauf zurückfinden. fort ging unser Marsch durch Openings u[nd] Praireen, wir sahen schöne reizende farmen, hielten uns hie u[nd] da stunden … [??] mitunter tagelang auf, u[nd] erreichten nach ein etwa wie erwähnt 3 wöchentlichen Reise Fort Winnebago am Fox River u[nd] das 1/2 stundeweit westlich von diesem gelegene Portage am Wisconsinriver (fluß) beide sind bereits mittelst eines Canals, der eben jetzt vor einigen Tagen vollendet, wurde verbunden, so daß künftiges frühjahr Dampfer aus dem Missippi [sic] durch den Wisconsin, Canal u[nd] Foxriver bis in den Obern See gelangen werden. [4/5] Warum wir uns so weit gen Westen wandten u[nd] diese Gegend als unsern künftigen Wohnplatz auserwählten, will ich euch in Kürze auseinandersetzen. Auf unserer Reise wurden uns überall, wo wir nur ein sprachen, Anträge zum Kaufe von bereits hergerichteten Farmen gemacht, nach unsere Erkündigung, wohin denn diese Leute, wenn sie ihr Eigenthum verkauft & hinzogen, hieß es stets, sie gehen westlich nach den Wisconsin river ins noch unvermessene Indianerland. Wir forschten die Ursache dieser Wanderung etwas näher nach, u[nd] erfuhren aus verschiedenen Mittheilungen, daß dort sich niederzulassen, ein bedeutenden Vortheil sey, was ihr uns folgenden entrechnen [??] könnt. der Grund u[nd] Boden wird, wie bekannt, nachdem er vermessen ist, von Seite des Staates veräußert u[nd] zwar der Acre für 1 1/4 Dollar. Alles vermessene Land nun ist entweder im Besitz seiner ersten Cultivatoren u[nd] nachfolgenden Käufer oder wo noch keine Niederlassungen waren, kauften Speculanten ganze Landstreife zusammen, um sie den Einwanderern gen Remach [??] wieder zu verschachern. Ein großer Theil der Yankee, jetzt aber auch schon deutsche Norweger u[nd] Irländer gehen nun stets auf unvermessenes Land, da er sich dort aussuchen u[nd] niederlassen kann wo er will u[nd] nehmen das sogenannte Claimrecht, d.h. in Anspruch, d. h. bei der Nochmaligen Vermessung u[nd] Veräußerung hat man das Verkaufsrecht zu 1 1/4 Dollar auf 160 Acre Land. Dadurch hat er den wesentlichen Vortheil, daß er, da das Land oft jahrelang nicht zur Vermessung u[nd] Veräußerung kömmt, das Ankaufscapital bereits durch Ausbau des himmelreichen [??] Bodens verdoppelt in der Tasche hat, abgesehen davon, daß sein Besitz dann, als hergerichtete Farm oft das 10 fache werth ist. Jenes Claimrecht mit dem jus seine possesions [??] sehr ähnlich erhält jeder, sobald er die Erklärung Burger werden zu wollen, abgegeben u[nd] auf je 160 Acre Land (1 Mann darf nur 160 Acre Claimen) ein Blockhaus, in welchem er wohnen muß, nebst 5 Acre gebrochenes Landes besitzt. Sehr viele nun, denen die Wanderlust noch mehr befragt, verkaufen, wenn sie ein Blockhaus verrichtet haben u[nd] 5 Acre Land mit dem Pflug umgebrochen, dieß ihr Verkaufsrecht an Einwanderer u[nd] ziehen weiter gen Westen, um dort im folgenden Jahr dasselbe Manöver zu beginnen. [5/6] Da wir nun, unseres geringen Anlage Capitals wegen u[nd] vielmehr um keins ausgebaute Farm zu besitzen (die hiesigen Farmer bauen oft 5-6 Jahr hinter einander Weizen auf denselben Grund) den Ankauf unterließen noch auch in der Regel schlechteres Spekulantenland uns zum Besitz ausersuchen, wählen wir uns nun den noch unvermessenen Nordwesten des Staates als Ziel unserer Reise, um so mehr, da hier das Clima viel gesünder u[nd] die Natur eben so reich ist wie anderwärts. Nachdem wir nun Portage am Wisconsinriver als den westlichsten Punct des Staates den vermessenen Land erreicht hatten (die Gränze zwischen vermessenen u[nd] unvermessenen Land bildet der Canal zwischen Wisconsin u[nd] Foxriver) gingen wir sogleich auf Besichtigung des nächsten Terrain am fluße aus. Begleitet von einem deutschen (nebenbei gesagt war er ein großer Whiskyformend, Erzlügner, Aufschneider, kurz ein ecklicher Schweinigel) der sich uns zum führer aufdrang gingen wir nun von Portage den ersten Tag an Foxriver hinab. Da uns aber hier das Land zunächst den fluße (er hat wenig Gefälle, desto mehr Schilf u[nd] wilden Reis) nicht gefiel; zogen wir Tags darauf der Wisconsin aufwärts. die beiderseitigenUfer des flußes (wir gingen am linken) sind mit Bäumen in Openings zusammenstehend abwechselnd mit Marschen oder Wiesen begränzt, der Fluß selbst hat hier schon eine beträchtliche Größe u[nd] Wassermenge (etwa wie die Moldau bei ihrer Mündung) u[nd] wird nementlich durch seinen raschen Lauf u[nd] die unzähligen mit herrlichen Bäumen bewachsenen Inseln äußerst anmuthig [.] mitunter gewährt er einen sehr imposanten sogar großartigen Anblick. das erste Ufer ist bereits der Cultur der Farmer jedoch hörlich unterworfen u[nd] vermessen. Von Portage aus stromaufwärts fanden wir das ganze zu nächst liegende Ufer beinahe durchgehends von deutschen besettelt oder … [??] bis etwa 10 Meilen oberhalb Portage von da an wurde die Gegend spärlicher und nur an ihren schönsten Punkten bewohnt; (meistens Norweger & einige Irländer) Etwa 14 Meilen von Portage stromaufwärts fanden wir einen Punkt der uns, da er dem fluße, zunächst liegt u[nd] dieser hier zugänglich ist, auserhand gefiel, fanden aber bereits einen Norweger als Claimer darauf. [6/7]


[6/7]
III

Wir ließen uns mit Hülfe unsers Begleiters (welcher sich mit dem Norweger in sehr schlechten englisch verständigte) mit dem Mann in Unterhandlung ein, und da wir des Wanderns in einem beinahe unbewohnten Lande müde waren u[nd] uns überhaupt beide bereits nach einem Fixpunct lohnten, kauften wir ihm sein Claimrecht für 100 Dollar ab. Wie nun unser Eigenthum aussehe, wie es lige, in was es bestehe will ich euch in einer nach Kräften deutlichen Scizze darlegen.

[sketch of land with trees and river; land divided up into squares, the corners of which are labeled with letters A through H]

AGHB= 1 Engl.  [square] Meile oder Section.
ACFE= 1/4 dto oder 160 Acre Land = 1 Claim für Einen Mann.
ACDB- 1/2 Section = Unser Eigenthum = 320 Acre oder beiläufig 400 Strich.
NB: die von dem Hause gezeichneten rundlichen Fluße, sind kleine Leiche [??] [7/8]

Zur bessere Verständniß (meine Zeichenkunst war von jeher keinen Pfifferling werth) folgt hier eine Beschreibung. Im Suden bildet der Wisconsin River die Grenze unserer Besitzung, sein Lauf ist hier beinahe direct von Westen nach Osten, gleich oberhalb unseres Landes macht er, einige Inseln bildend, einen Bogen u[nd] läuft dann oder kommt vielmehr beinahe gerade aus dem Norden. An der unteren oder östlichen Grenze unseres Landes bildet er auf mehren Punkten die anmuthigsten Inseln, bewachsen mit den verschiedenartigsten Holzgaltungen. Auf unserer Insel allein kann man wenigstens 12 bis 15 Bäum u[nd] Straucharten unterscheiden. Vorzüglich schön u[nd] schlank wuchern einige Weimuthskiefern [??] außer einigen etwas verkrüppelte Cypressen das einzüge Nadelholz. Ahorn u[nd] Birken Eiche u[nd] Linden Erlen und Weiden u[nd] noch 10 andere Holzarten sind in wilder doch schöner Gruppirung durcheinander, das ganze an den, dem Ufer zunichts gelegenen Punkten von Schlingewächsen u[nd] vorzüglich üppigen Wein zu schattigen Lauben zusammen gefloßen. Das ganze Ufer des Flußes ist auf etwa 100 Schritte ins Land hinein mit ziemlich dicht stehenden Eichen Birken u[nd] anderen Bäumen bewachsen. An diese, stößt eine flur von Wiesen (auf trockenen punkten Weide) groß genug um auch 50-60 Rinder mit Heu für den Winter zu versehen. diese Wiesenflur ist gegen Norden von einem etwa 10-12 fuß hohen Rand, (ich glaube, (dem ehmaligen Ufer des Wisconsin) begränzt) welcher mit dem fluße paralell durch unser ganzes Land u[nd] weiter läuft. Von diesem Rande aus erstreckt sich das Land gegen Norden in einer Ebnen etwa 1 Englische Meile hinaus, wo es endlich von einer mit Eichenwald bewachsenen Hügelreiche, ebenfalls beinahe dem Fluße paralell laufend, geschlossen ist. Im Westen läuft das Land, wie schon erwähnt etwa noch 1/2 (Meile engl.) u[nd] ist dann vom fluße, da er sich hier nach Norden wendet, begrenzt. Im Osten geht das Land, etwa in einer Meile (englisch) in eine große Prairie (vom Fluß zunächst Marsch) aus. Auf erwähnten Rande stehen unsere Gebäude, bestehen. aus einem halbinden [??] Randeingegrabenen, Norweger Wohnhäuschen aus Bettern [Brettern] u[nd] Schwarten; einem kleinen Bretterhause, als Victualien u[nd] Geräthschaften Locale; u[nd] aus einem, etwas größerem halbfertigen Blockhause (20 fuß lang u[nd] 18 fuß tief) welches wir nächstes frühjahr beziehen werden. Von da aus gegen Norden besteht unser Land durch seine ganze Länge (von Osten nach Westen) etwa auf 70-80 Schritte breit, aus Opening von Eichen (sehr gutes Brenn mitunter auch Bauholz) u[nd] weiter geht diese Opening in Prairie abwechselnd mit Marsch über, welche Strecke einst die besten felder mit nicht alzugroßer Kraftanstrengung zur Urbarmachung werden wird. Hinter dem Blockhause ist etwa 1 1/2 Acker mit Kartoffeln u[nd] Gemüse bepflanztes Stück Land, welches ich auf der Scizze mit Linien bezeichnet habe. [8/9]

Das recht Ufer des flußes ist ein ziemlich steiler etwa 100 fuß hoher Hügelrücken mit Openings. Die nächste Stadt ist östlich Portage 14 Englische Meilen oder beiläufig 2 3/4 deutsche Meilen. Nordwestlich Dell Creek 5 Englische oder etwa 1 deutsche Meile, südlich jenseits des flußes Paraboo [sic] 7 englische oder beiläufig 2 3/5 deutsche Meilen entfernt. Wenn ich sage, “Stadt” so stellt auch keine europäische nicht wie Kaaden u[nd] Kommotau darunter vor, sondern etwa 15-100 in einiger Entfernung von einander stehende Frem [frame?] oder Holzhäuser, darunter wenigstens 8-10 Groceries u[nd] Stores oder specerey u[nd] Waarenlager u[nd] 2-3 Tavernen.- der Boden unseres Landes ist, so wie größttheils im Lande, bestehend aus Thon, Lehm, Sand u[nd] Aureus [??] in den verschiedensten Verhältnissen an verschiedenen Orten die 3 ersten Bodentheile gemengt überall von einer hinlänglicher Aureus [??] schicht überlagert. Nach gehöriger Mischung dürfte es den besten Getreideboden hier geben, der sich denken läßt, da wir nebenbei auf der ganzen Claim kein Nußgroßes Steinchen haben.- Nun der Beschreibung genug, denn ich glaube, je länger ich fortschmiere, desto undeutlicher werde ich.- Zurück also zum Geschehenen.-

Nachdem wir also mit dem Norweger den Handel geschlossen hatten, beschloßen wir, daß Einer von uns nach Milwaukee zurückgehe, um unsere deponirten Sachen zu holen u[nd] Einkäufe von Ochsen, Wagen, Haus u[nd] Wirtschaftsgeräthen samt Lebensmitteln, welches Alles man dort weit billiger bekömmt, zu machen: der Andere jedoch einstweilen beim Norweger sich einquartiren u[nd] die vorläufig nothwendigen Arbeiten u[nd] Verrichtungen verbringe. Ersteres übernahm Paul letzteres ich. Nachdem ich durch peinliche 14-17 Tage, getrennt vom Freunde, in steter Besorgniß für sein Wohlseyn (es herrschte damals die Cholera in Milwaukee) gewartet, kam endlich Paul mit einem recht schönen Ochsengespann u[nd] Wagen, voll der erwähnten dinge angerudert, nachdem er nicht minder durch diese Zeit von Besorgniß u[nd] Strapazen einer 50 Meilen weiten fahrt mit Ochsen viel gelitten hatte. Der Norweger blieb noch einige Tage, zog dann samt Weib Kind u[nd] Schwigervater Gott weiß wohin, und wir nahmen nun unser neues Wohnhaus in Beschlag. Mit Einrichtung, Verbessern des sehr luftigen Hauses für den Winter, mähen des futters für die Ochsen, Herausgeben der Kartoffel u[nd] vielen anderen nothwendigen Arbeiten, verfloß nun die Zeit vom 4 September, wo Paul anlangte, bis jetzt wie ein Traum. [9/10] Wir eröbrigten bis dato nicht einmal so viel Zeit, um uns mit der Nachbarn, meistens Norwegern, alle natürlich 1-2 Meilen von uns wohnend, bekannt zu machen, u[nd] die Gegend in einem weiteren Umkreise zu besichtigen. Ein einziges Mal entfernten wir uns (es war Sonntagsvergnügen) auf der Jagd etwas weiter, u[nd] durchstreiften die nördliche Hügelreihe. Auf dieser Wanderung nun hatten wir von einem etwas höheren Punkte (die höchste Höhe-Patron [??] in der Gegend nicht über 1000 fuß vom Fuße bis zum Scheitel) eine nach allen Seiten offene fernsicht. Trotz der geringen Höhe, wir standen etwa 500-700 fuß über der Thalsohle, erinnere ich mich nicht einen größern Horizont auf einmal überschaut zu haben, auch was Schönheit der Ansicht betrifft, sucht sie ihres Gleiche. Ich will mich nicht in eine Beschreibung einlassen, da ich mich stets über das Geschmiere, wenn ichs selbst noch einmal durchlese, ärgere. Es kömmt mir dann stets, wie Erweichung des hohen Heiligen in der Natur vor. Nun so viel sey gesagt, meine Seele schwelgte im herrlichen Anblick, Gott stand mir näher als gewöhnlich, meine Geist jubelte ob der Pracht der Natur u[nd] Güte des Schöpfers.- Fragt ihr mich, wie wir leben, was für Eindruck die neue Lebensart auf mich hervorgebracht, wie wir die harten Arbeiten ertragen u[nd] so w[eiter]? Auf alles antworte ich: Gut. Unser Lebensmittel bestehen im fleisch (Rind, Schweinfleisch, Ergebniß der Jagd) Mehl, Kartoffel, Reis, Kaffee u[nd] Thee. Als Getränke Whisky mit Wasser (auch Paul trinkt seinen Schluck als Mann u[nd] befindet sich wohl darbei) mit unter ein Glas Bier u[nd] eigentlich Gerstensaft, ein von einem Norweger ganz gut zubereitetes Naß, ich glaube, es ist dasselbe noch, das die Cimbern u[nd] … [??] oder doch wenigstens Herrmann mit seinen Cheruskern getrunken. Mit der Küche wird abgewechselt, eine Woche koche ich die andere Paul; u[nd] noch nie waren wir mit einander unzufrieden. Einen Tag schmeckte besser als den andere, da wir nicht so sehr die Qualitaet als Quantitaet berücksichtigen. wir verdauen ich glaube auch Kieselsteine. Sind auch die Arbeiten hart, unsere Hände werden (u[nd] sinds viel mehr schon) ebenfalls, sind die Bäume mächtig u[nd] ihr Holz zähe; unsere Beile sind scharf unser Wille zäher als ihr Holz, rinnt auch der Schweiß stromweise übers Gesicht, läßt manch nebenlaufen; kömmt doch eine Zeit, wo ich dann die harte Hand in eine weiche legen werde, sie zu sichern durch die Wege, die mein zäher Wille gebahnt, u[nd] mein Schweiß wird nicht mehr unaufgehalten herabströmen, sondern die Liebe wird ihn von der Stirne trocknen. [10/11]


[10/11]

IV.

Ihr seht also, daß es uns in der neuen Heimath behagt, bei Gott, ich bin zufrieden u[nd] glücklich; doch zur vollkommenen Zufriedenheit, zum wahren Glücke fehlt noch Eins, dieß ist, Mittheilung desselben an seine Lieben. Ist erst Marie mein, sehe ich erst eines u[nd] das andere, etwa Karls Ottl u[nd] Taday [??] vielleicht Prinzl Peter Klenert u[nd] Schürer Karl herüber, kann ich mich erst ein traulichen Kreise niederlassen u[nd] schwazen [schwätzen] von diesen u[nd] dem [.] dann bei Gott will ich ganz ganz u[nd] gar zufrieden seyn, denn ich habe erreicht, was ich anstrebte. Könnte ich freilich alle, Alle Lieben mit einem Zauberspruch herüberzaubern, Mutter Geschwister freunde,- doch wozu Unmöglichkeiten wünschen. Ist doch kein Mensch auf der Welt, dessen Wünsche alle befriedigt würden, dieser misst das dieser jenes, allerdings ist das, was ich missen muß, Theures, Werthes, doch auch das, was ich dann erreichte, wäre Großes, Schätzenswerthes. Es ist und bleibt mein Ziel, meine Lebensbedingung, Marien als frau erringen, möglichst viele aus Allen Lieben um auch versammeln u[nd] dann zufrieden mit dem Errungenen leben, das Vollkommenere beginnt ja erst (trägt nicht Alles) beim Wiedersehe dort, wo kein Europa, kein America seyn wird, sondern Ein großes Vaterland.-

Ich durchlese eben den Brief noch einmal, und finde, daß ich alles durch einander geworfen, doch bei einem so großen Thema werdet ihr diesen fehler, meiner meine hohen Maße besessenen Beschreibungskunst nachsehen; ist auch nicht Alles der Ordnung nach erzählt, so hat es doch vor vielen anderen Erzählten der Vorzug der Wahrheit, habe ich hie u[nd] da einiges nicht so geschildert, wie es ist, so ist dieß ein fehler der individuellen Auffassung, keineswegs absichtliches “Anders Geben” als wie mans gesehen u[nd] erfahren. Doch nebenbei merke ich auch beim durchlesen, daß ich Einiges zuschreiben vergessen habe, dießen Fehler will ich verbessern. Zur eigenen Orientirung will ich mir ein Schema machen u[nd] in der Beschreibung nachholen, was ich im frühern zu sagen vergessen. 1. Land, 2. Clima, 3. Boden, 4. Bevölkerung, 5. Thiere u[nd] Pflanzen 6. Resultat meiner Erfahrungen für Nachkommenwollende, welche dasselbe zu benutzen wünschen.

Ad1. Im Vorhergehenden habe ich bereits bei Erzählung unserer Reise das wesentlichste darüber angegeben. Stellt man sich eine ungeheure Wassermassen in gleichförmiger Wellenbewegung vor, so hätte der äußere Umriß dieser Masse, könnte man sie siairen [??], die größte ähnlichkeit mit dem Territorium des Staates Wisconsin, in so ferne ich dieses Urteil auf eigene Anschauung eines ziemlich großen Theils desselben sowohl, als auch auf Versicherung von Leuten, die den ganzen Staat kennen, begründe. [11/12] die tiefsten Stellen des Landes sind in der Regel Marschgründe, da sie das Flußbette der unzähligen das Land in allen Richtungen durchschneidenden Creeks oder den Grund von den herrlichen in Europa kaum in gleicher Schönheit anzutreffenden Lakes (Erstere kleinere flüsse letztere Seen) bilden. Höhergelegene, wie schon früher bemerkt meist mehr u[nd] weniger Muldenförmigen flächen (von 1 bis oft 8-10  [Quadrat] Meilen Ausdehnung habend) sind Prairien, meist ganz Baum u[nd] Strauchlos, mit dünnerem jedoch aber so hohen oft höheren Graswuchs als die Marschen. Erstere bieten durchschnittlich ihr Terrain nur u[nd] ausschließlich den Weisencultur, letztere sind, da ihre Urbarmachung leicht ist, meist bereits wenn auch nur Stellenweise zum Feldbau u[nd] zur Viehweide benützt. An diese Prairien stoßen nun als etwas erhabenere Punkte Openings mit vortrefflichem Boden u[nd] diese sind stellenweise von dichterem Urwald unterbrochen. Der Hauptfluß des Landes ist der Wisconsin (Tausend Insel fluß). Nicht um sonst so von den Indianern genannt, da ich glaube kein 2ter Strom der Erde, eine solche Unzahl von Inseln in solcher Schönheit bildet. Sein Lauf (beinahe direct von Nord nach Süd) ist ziemlich rasch mitunterreißend, da aber sein Bette aus sehr feinen Sand höher hinauf aus kleinem Gerölle besteht, so ist die Schnelligkeit dem Auge weniger sichtbar als in flüssen mit steinigere Bette. Er ist, da er jetzt mittelst erwähnten Canals mit dem Fox river u[nd] dadurch mit dem Michigan u[nd] Obern See verbunden, von großer Handelswichtigkeit, da die Produckte des Südens auf dem Missisippi durch ihn dahin ihren Verschließweg nach dem Norden nehmen werden u[nd] umgekehrt. Etwa 70-80 eng[lische] Meilen oberhalb unserer Claim befindet sich nähmlich ein Terrain (Pinery) welches von den besten zum Bauholz aller Art verwendbaren Nadelholzen bewachsen ist. dort befinden sich bereits seit geraumer Zeit Schneide u[nd] Sägemühler in Anzahl, welche Bretter u[nd] allerhand nothwendiges Bauholz liefern u[nd] den Wisconsin hinab ins Land südlich versenden. Erst seit etwa 1/4 Jahre versuchten es kleinere dampfer stromaufwärts zu dringen, was ihnen bisher bis Dell Creek 5 Meilen oberhalb uns gelang, künftiges Jahr gehen bisher schon dampfer bis nahe an die Pinery, um theils Produkte u[nd] Lebensmittel schneller dahinzubringen u[nd] das langweilige flößen zu ersparen. die Kühnheit ich möchte sagen Verwegenheit der Amerikaner in allerhand Unternehmungen besonders jedoch in Locomotiv u[nd] dampfschiffahrten, ist grenzenlos u[nd] durchaus in keinem von mir gelesenen Buche übertrieben geschildert.- dieß nun vorderhand genug advocem Land. Aus Erzähltem seht ihr, daß wir eben in keinen unvortheilhafter noch weniger unschöner Gegend wohnen, im Gegentheil unsere Claim ist ein großer Garten, schön u[nd] prächtig, wie nur eine Garten in Europa u[nd] zwar die schönsten Parks seyn können. [12/13]

Ad 2. Was das Clima anbelangt, so ist es jedenfalls milder als bei uns, nur ist für den Anfang der rasche Wechsel der Temperatur, vornehmlich jetzt im Spätherbste, unangenehm, doch auch nur für den ersten Anfang, denn wir befinden uns jetzt nicht weniger als unwohl, trotz dem daß wir vorgestern ein derbes Gewitter mit Klatzregen [Hagel?] u[nd] heute große Schneeflocken hatten. Von der Schönheit eines Indianer Sommertags (Indianersommer egal [equal/gleich] mit unserem alten Weibersommer/ doch dauert er etwas länger) könnt ihr euch keine Vorstellung machen. die Atmosphaere rein u[nd] durchsichtig wie Aether, die Sonne warm, wie bei uns im Mai; die Bäume in allen farben (vom dunkelsten Roth bis lichtesten Gelb) prangend [??], kurz ein wahrer Göttertag u[nd] so nicht einen wie etwa bei uns im September, u[nd] den 2ten Nebel u[nd] froste schauer, nein beinahe der ganze Monat October hindurch war Indianersommer Monath. Herrlich, großartig ist in dieser Zeit stets der Sonnenuntergang, so ganz eigenthümlich u[nd] verschieden von den in Europa. Blutroth, mit gedämpfter Strahlenglut wies sich der Sonnenball oft 1/2 bis 1 Stunde lang vor den Untergang wie Rosenrothen violetten u[nd] bläulichen … [??] Kaum ist aber die Sonne verschwunden, so wird auch die Atmosphaere mit einenmale so kühl, daß für einen halbwegs empfindlichen Menschen der Aufenthalt im freien unangenehm wird. Nachts sind dann regelmäßig fröste von 3-6 Grad Kälte. den ersten frost hatten wir ich glaube um die Mitte October. seit etwa 8 Tagen wars jedoch wieder selbst bei Nacht ziemlich warm, heute den 5 November hatten wir den ersten Schnee, doch nur einige flocken ohne liegen zu bleiben. Wie der Winter u[nd] das frühjahr seyn wird, werde ich später zu schreiben, Gelegenheit haben.

Ad 3. über die Bodenbeschaffenheit habe ich schon vorher gesagt was zu sagen war, in so ferne es das Interesse des Landwirths in Anspruch nimmt. Soll ich als Geogroft [Geograph] u[nd] Geologe ein Urtheil fällen, so ist dieß eben nicht so schwierig, erscheint es auch für Manche voreilig, gewagt vielleicht halten es einige sogar für anmeßend. Man braucht nun gerade kein Gelehrten Reisender zu seyn, sondern nur seine 5 Sinne zu haben, u[nd] die Augen zu öffnen um zu sehen, daß der Boden aus den u[nd] den Bestandtheilen bestehe; so hat man ihn geogroftirt untersucht, seine Entstehung ist unzweifelhaft eine Ablagerung aus dem zurücktretenden Wasser, sey es nun das Süßwasser der … [??] See-Michigan u[nd] Lake Superior oder ein Zurücktreten des Meeres. Hier zu entscheiden, geht über meinen Horizont, denn von der Paleontologie weiß ich eben nicht mehr, als die Bedeutung des Wortes, ob der hier vorkommende Kalk Süß u[nd] Salzwasserthiere versteinert enthält u[nd] in die Ludervicher [??] heißen mögen, wird wahrscheinlich aus dem Berichte irgend eines reisenden Genies, nie aber aus meinem Schreiben zu erfahren seyn. [13/14]

Ad 4. die Bevölkerung besteht so wie in allen Staaten, auch hier aus Eigebornen (Indianern) Nachkommen von Einwanderern vorzüglich von Engländern (Yankees) u[nd] neuen Einwanderern aller Nationen vorzüglich aber aus deutschen Norwegern, Irelaendern u[nd] Franzosen. da ich voraussetze, daß jedem von Euch weniger die Zahl als die Eigenschaften der Menschen interessiren wird, so übergehe ich auch alle Zahlenangaben, da ich sie ohnehin erst aus Büchern zusammen suchen müßte. In den von uns durchwanderten Theil des Staates sind nirgends mehr ansäßige wohl aber hie u[nd] da herumstreichende Indianer, das Land wird ihnen nach u[nd] nach von der Regierung abgekauft u[nd] sie ziehen sich an den Lake superior u[nd] jenseits des Missisipi zurück. Eine einzige eingeweihtete Indianerhütte hatten wir Gelegenheit zu sehen bei unserem Marsche am Foxriver. Es wurde uns von einem Canadischen Franzosen (Saint Germain mit Nahmen, Unterhändler bei Landverkäufen zwischen der Regierung u[nd] den Indianern, er selbst hat eine Indianerin zur frau) eine Claim zum Kaufe angetragen. Als wir sie zu besichtigen ausgingen, fanden wir endlich am Foxriver 2-4 Meilen von Portage sein Blockhaus u[nd] nebenan, eine von einem Manne samt frau u[nd] 3 Kindern bewohnte Indianerhütte. Behagte uns die Gegend der Claim u[nd] ihr Preis (er wollte für 160 Acre auf die ers Claimrecht hatte, 500 Thaler für dessen Abtretung) auch nicht, so wurde doch unser mühseliges herumschweifen beim Aussuchen durch die Gelegenheit, einen Wilden in seiner Behausung zu sehen, zur Genüge belohnt. Die Hütte besteht aus, in den Boden eingestickten Birkmästen, oben zusammen gebogen u[nd] gebunden. diese in einem Kreise gesteckten äste sind recht künstlich mit Baumrinde, die Glatte Seite nach Außen gekehrt, überdeckt, so daß das ganze wie die Kuppel eines gothischen Thurmes (etwa wie die Kuppel auf der Niklaskirche in Prag) (so groß jedoch nicht) aussieht. die innere Einrichtung besteht aus Bretterlagern mit fellen u[nd] Schilfmatten bedeckt, als ihre Bettstellen, im kreise herum stehen ihre Fischwerkzeuge u[nd] Geräthschaften, u[nd] vorne an dem ungeschlossenen Eingang ein Loch, welches, (wie bei Zigeunern) mit Kohlen gefüllt, Ofen stelle vortritt der Mann, eine kleine, jedoch sehr gut gebaute Gestalt mit Stahlmuskeln, außer einer weißen decke, welche die halbe Brust bis zur Hälfte der Schenkeln bedeckt, ganz nackt, war für mich eine unangenehme Erscheinung; auf dem wirklich tadellos gebauten Körper saß ein scheußlicher fratzenähnlicher Kopf mit nur einem von Leidenschaft blizenden u[nd] geröthetene Auge, das andere fehlte ihm, es schien ausgeronnen, über dieß war das ganze Gesicht von Blettern erbärmlich zerrissen. [14/15]


[14/15]

V.

Er lud uns mit grinsender Freundlichkeit ein, seine Hütte zu betreten, worinnen sein Weib, ganz ähnlich unsere Zigeunerweibern auch so gekleidet mit einem Kinde am Arme u[nd] 2 nackte Jungen saßen. Bei unseren Erscheinen zog sich das Weib scheu durch den Eingang ins freie zurück, die 2 Jungen, nicht viel schöner als der Papa, blieben sitzen (sie mochten etwa 10-12 Jahre zählen) Lange Zeit wußte ich nicht, warum wir den Wilde vorzügliche Aufmerksamkeit schenkte, bis ich endlich das Wort Captain durch sein Cauderwelsch herausfinden konnte. Meine 2 Ringe am finger u[nd] mein Bart machten dem Wilden steif u[nd] fest glauben, ich sey ein Captain oder Hochgestellter unter den Weißen, u[nd] durch nichts ließ er sichs nehmen. Ich bot ihm meine kleine americanische Gypspfeife zum Rauchen, welches Anerbiethen er mit ungeheueren Zeichen der fremde u[nd] der ihm erwiesenen Ehre annahm. Wahrend wir nun die Hütte besichtigten u[nd] uns mit die Jungen beschäftigten, hatte unser schnapstrinkende Begleiter dem Wilden einen Schluck angeboten u[nd] dieser verschlang auch gierig den ganzen Inhalt (sicher 3/4 Seidel Whisky) mit ungeheurer Virtuositaet. Einige Minuten darauf wurde der arme Teufel natürlich stock betrunken, sein Mund schäumte, wie bei einem wüthenden Hunde, er drängte sich in seiner Berauschung immer mehr an mich, so daß mir etwas unheimlich zu werden anfing, u[nd] ich die Hütte verließ. um mein Gewehr auf der Schulter (wir hatten die Gewehre draußen [??] gelassen) vor unangenehmen Zudringlichkeiten sicher zu seyn. Er folgte uns noch einige Schritte, da wir aber sein Zustand grauslich zu werden anfing, deuteten wir ihm zurückzugehen u[nd] verließen, unsere Neugierde befriedigt, die Gegend. die so eben beschriebene familie nebst noch etwa 10-12 Stück auf der Wanderung nach ihre neuen Wohnplätzen begriffene Indianer sind die einzigen, die wir zu sehen Gelegenheit gehabt. Sie sind alle sehr scheu, machen sich mit Weißen nicht gerne zu schaffen, und durchaus ungefährlich; ich glaube unsere Zigeuner sind ihrer langen finger wegen, gefährlicher. der Indianer stiehlt nie, wenigstens hörte ich noch von keinem falle erzählen. [15/16] Im Allgemeinen unterscheidet sich der Yankee vor allem erst Eingewanderten sehr zu seinem Vortheile. Er ist gerade, ohne Umschweife, u[nd] tritt überall mit Selbstbewußseyn auf, wie sichs für einem Manne und Republikaner ziemt. Ist er auch im europaischen Sinne nicht gast [??] frei zu nennen, selten giebt er etwas umsonst, so ist er doch nichts weniger als unfreundlich, seine Thüre steht jedem offen, so wie er auch jedermanns Schwelle ungescheuet betritt, nie sieht man jene eckelhaften Buckelkrümmungen u[nd] parabolischen Hutschwingungen; aufrechten Ganges den Hut am Kopfe (er entblößt das Haupt nur beim Schwure u[nd] bei Tische) tritt er ins zimmer, ein freundlich good morning oder good day (Guten Morgen Guten Tag) zuwinkend u[nd] setzt sich ohne weitere Umstände auf den ersten besten Stuhl. Er ist mittheilsam ohne geschwätzig zu seyn, ernst ohne mürrischer Miene. diese und viele andere Eigenschaften sinds, die den Amerikaner vor den Einwanderer den Vorzug verschaffen. Europaische ängstlichkeit kent er durchaus nicht, er ist in allen seiner Handlungen kühn bis zur Verwegenheit. Doch fehlen ihm auch nicht unangenehme Eigenschaften, welche man sehr gerne an ihm vermissen möchte. So artet oft sein freies Auftreten in Rohheit Ungeschliffenheit u[nd] Zudringlichkeit aus, sein Unternehmungsgeist wird nicht selten Schwindeley u[nd] Betrug, seine unermüdliche [unermüdende] Thätigkeit zu einem ecklichem Jagen u[nd] stennen [streben?] nach Gold u[nd] Verdienst. Vielleicht verliert er diese u[nd] noch manche andere Untugend bei zusammen gedrängteren Wohnen einst jedenfalls werden … [??] u[nd] schöne Künste u[nd] Wissenschaften, die natürlich noch sehr wenig geschätzt sind, einen sehr guten Einfluß auf Veredlung der Bevölkerung nehmen. So viel nun sey genug des Urtheils aus den Betrachtungen [??] die ich zu machen Gelegenheit hatte. Lerne ich sie besser u[nd] gründlicher beurtheilen, kenne ich erst ihre Sprache, Sitten u[nd] Gebräuche vollkommen, so will ich zur Orientirung später gründlicheres u[nd] nützlicheres mittheilen. (Nebenbei gesagt, schwatzen wir beide zur Nothdurft schon unser Bischen Englisch. Lebten wir nicht so abgeschlossen, so ließe sich wohl die Sprache im Umgange in einem Jahre vollkommen erlernen.) über Einwanderer zu sprechen, werdet ihr mir erlassen, da sie hier Anfangs eben nicht besser als sie in Europa waren, seyn können, Lebensart, Umgang überhaupt hiesiger längerer Aufenthalt, werden nicht verfehlen, sie zu verbessern zu veredeln. [16/17]

Ad 5. In nichts habe ich wohl eine so falsche Ansicht gehabt, als in der Vorstellung über Thier u[nd] Pflanzenwelt Amerikas. Meine alberne Phantasie versetzte alle oder doch wenigstens die meisten Thiere u[nd] Gewächse des Südens auch in die nördlichen Staaten; und stellte ich mir auch keine Landschaft Reasiliens [resilience?] vor, so hatte ich doch die Wahn von den unsrigen ganz und auffallend verschiedene animalisches u[nd] vegetabilisches Leben zu sehen zu bekommen. Nichts ist aber falscher als diese Vorstellung. Ist auch die Pflanzenwelt für den Botaniker hier eine ganze verschiedene und neue, so doch keineswegs für den Laien in der Wissenschaft, der sich vorstellte, bedeutend größere, an Blatt, Blüthe u[nd] ganzen äußern Habitus andere Pflanzen zu treffen; in dessen Phantasie zwischen einer amerikanischen Eiche u[nd] einer europaischen beinahe derselbe Unterschied abwaltete [??] als zwischen einem Burger der Vereinigten Staaten u[nd] einem östreichischen Staats-Burger. Wiesen, felder u[nd] Wälder sehen hier den europaischen so ähnlich wie ein Blatt dem Anderen, wachsen auch auf den hiesigen Wiesen etwas höhere üppigere Graser, baut man hier auch neben der Kartoffel Mais, haben auch die hiesigen Wälder statt 3 oder 4 Eichen gedrungen deren 15-20 [.] so macht doch dieß bei Anblick der Natur keinen gewaltigen (u[nd] so habe ich mit ihn vorgestellt) Unterschied. Nur Prairien u[nd] Openings sind in neuer Erscheinung zu nennen, und selbst bei denen fällt mir die Neuheit des Anblickes jetzt mehr auf als wie ich sie das erste mal sah. Selbst künstlich gebaute feldfrüchte stehen hier im Allgemeinen nicht schöner als etwa die guten Gegenden deutschlands auf großen Strecken sogar sieht man erbärmliche Weizen u[nd] Roggen stehen. Daran ist aber nicht die Natur Schuld, denn ist eine Gegend eine Getreide Gegend zu nennen, sonsts die hiesige. Ein für Cerealien angemessenes Clima das sich Jahr für Jahr durch Holzabnahme u[nd] Ausdrocknen [sic] von Seen u[nd] Sümpfen verbessert u[nd] der beste Luxusreiche Boden begünstigen deren Anbau wie vielleicht nirgends. doch der Marsch nementlich aber der Einwanderer thut hier nichts als die oft fuß dicke Rasenschicht ausreißen u[nd] das oft schlecht u[nd] pflanzt in dieß Land ohne weiters Mais Kartoffel u[nd] Weizen, wie ihm eben einfällt, ohne weitere Bearbeitung. Würde der hiesige Boden nur halb so fleißig bearbeitet, als in Europa, er müßte Riesen resultate geben. Seine Mischung u[nd] Luxusreichthum sind die Günstigsten Umstände dazu. [17/18] Land hat jeder genug, daher dieser Schlendiran. doch in kurzer Zeit wirds hoffentlich anders werden.- fragt ihr mich was für Pflanzen u[nd] Bäume hier wachsen, so kann ich euch eher eine negative Verzeichniß geben, das heißt welche hier nicht wachsen u[nd] die in Europa vorhanden sind. So viel weiß ich, Brennnessel u[nd] Haderich habe ich noch nicht gesehen. die hier wachsenden von den europaischen verschiedenen Pflanzen, weiß ich nicht zu benennen. So viel sei gesagt, daß sie in der Regel um einige Fuß höher sind u[nd] recht schön mitunter blühen. So haben wir sehr viele kleine Astern [äste] ähnliche Blumen in den verschiedensten färbungen. Von Bäumen u[nd] Sträuchen wachsen hier alle Arten, die in Europa bekannt sind, oft auf dem kleinsten Terrain 20-30 Arten gemischt durch einander. Außer denen schon früher mir bekannten Bäumen wachsen hier noch Weihmuthskiefern sehr schön u[nd] Cypresse, nebst wildem Weine u[nd] sehr schönen Schlinggewächsen aller Art. Von Thieren, die man in Europa nicht kennt nenne ich, den hiesigen Hirsch, viel kleiner als der unserige in deutschland, Waschbär, Marschratze [Marschratte], eine kleinere Art Hasen unter der Erde wie Kaninchen Löcher grabend, graue etwas größere Eichhörnchen (sehr wohlschmeckend von Paul zubereitet, und eine Anzahl Schildkröten in den Creeks u[nd] Seen. die amerikanischen Vögel sind aber beinahe ganz neue u[nd] doch für mich neue Arten. In der Regel sehr schön gefiedert, doch wenig Sänger. Millionen von Spechten aller Größe u[nd] farbe, viele Arten von Enten, Gänse, 2erley [zweierlei] Arten Prairiehühner (unser oftmaliges wohlschmeckendes Mittagsmal, ich habe kein Geflügel von gleichem Wohlgeschmacke noch gegessen, wie das hiesige große Prairiehuhn, sogar wie ein Altes Perlhuhn.) u[nd] auch viele andere unbekannte Luftbewohner finden sich hier. Von wilden Truthühnern ist hier keine Spur, wohl aber waren Schwärme von sehr wohlschmeckenen Tauben hier, welche jetzt weggezogen sind, um im frühjahr zurückzukommen. Von sonstigen Ungeziefer (Wanzen u[nd] flöhe genug) nenne ich blos, noch die Klapperschlange mit ihren unangenehmen Giftzähnen. Sie kommt ziemlich häufig vor, ich selbst habe beim Heumachen 5-6 getödtet; ist aber ihrer un…liche [??] Größe halber (sie ist nicht größer als unsere großen Ottern, etwa 4-5 fuß lang doch ziemlich etwa 1 1/2 Zoll dick) für den Menschen nicht sehr gefährlich, da sie wie alle Natterarten sehr scheu ist u[nd] sich flüchtet. [18/19]


[18/19]

VI.

Nachdem der Brief einige Tage, (ich weiß nicht bestimmt, wie lange) in der Schublade oder besser, abwechselnd auf Tisch u[nd] Bett gelegen, da wir unsere fahrt nach Portage wichtiger Arbeiten wegen verschieben mußten, will ich nun ihn heute zu Ende bringen, denn übermorgen (Sontags den 15ten) fahre ich wegen Einkäufen von Nothwendigkeiten für den Winter unwiederruflich nach der Stadt, u[nd] habe also Gelegenheit zum Aufgeben bei der Post. die fahrt geht natürlich mit den Ochsengespann (ox tires) aus dem einfachen Grunde, weil wir keine Pferde besitzen u[nd] sie auch bei den hiesigen Wegen durch dick u[nd] dünn nicht practicabel [praktisch] wären. Mit dem Ochsenwagen? höre ich Manche rufen dabei etwas zweideutig lächelnd, und einiges von Ehrgefühl xcetra [u.s.w.] hinwerfend. Ja freilich mit dem Ochsenwagen. Es ist nun hier zu Lande so Sitte, daß jeder thut, was er will, und Gott sey dank es auch thun darf (vorausgesetzt, es sey vernünftig.) Auch hat man hier zu Lande einen ganz andern Begriff von Ehre u[nd] Ehrgefühl. Sind doch die Meisten, welche hier hinder ihrem Ochsengespann einherschreiten, besser als Eure Grafen u[nd] fürsten u[nd] dergleichen ——- mehr. Und bei Gott! ich fahre hin lieber mit Ochsen, als drüben vierspännig. denn um vom Knechten zum freien Mann zu gelangen, würde ich auch mit Hunden u[nd] Eseln kutschiren, gelangte ich nur zum Ziele. Verzeihung der Abschweifung halber, die Wunden verheilen langsam vielleicht nie, die … [??] dem Geiste geschlagen, doch wohl dem, bei dem die alten nicht durch stets hinzukommende neue gehäuft u[nd] am Ende unerträgliche Burde werden. Mit Trauer u[nd] Schmerz denke ich oft an die vielen Lieben Angehörigen u[nd] Freunde, denen es nicht vergönnt ist, ihrem leider traurigen Schicksale durch Veränderung ihrer Lebenslage zu entrinnen. Hier könnten sie freie herrliche Männer seyn, u[nd] drüben?- Doch vielleicht einstens (und dieß ist der einzige Trost) zornerfüllte Rächer. dann freunde will auch ich nicht fehlen.-

Ad 6 Soll ich meinen freunden, gestützt auf meine bisherigen Erfahrungen, einen Rath ertheilen, so rufe ich Euch Allen zu, komt herüber; jeder, dem es seine Umstände erlauben, thut Unrecht, drüben im Pflicht [??] der Knechtschaft nolers volers [??] zu verschlechtern oder zu verkümmen, anstatt hier als freier Mann Herz und Hand zu kräftigen, und wenns einmal Noth thut, beide dem Vaterlande zu opfern. [19/20]

Ists nun, nach meiner festen überzeugung im moralischer Beziehung wohl gethan, diesen Schritt zu thun, so ists nicht minder in materieller Beziehung ein großer Vortheil; da jeder der hier arbeitet, sein reichliches Auskommen hat u[nd] nebenbei die schöne Aussicht, einst als unabhängiger Mann seinen eigenen Herd zu gründen. Um allen Verdacht ein erbloß exhaltirten Wortschilderung zu entgehen, lege ich im sache Farta vor, die für sich sprechen mögen. Alle Farmer in der bereits angebauten Gegenden waren ursprünglich arme Einwanderer oder mittellose Yankee, und sie leben jetzt nach, ich will viel sagen 6-8 Jahren mit ihren Familien äußerst comfortabel. Wenn ich behaupte, daß die Einwanderer alle mit sehr wenigem begonnen haben, so wird mir jeder a priori Glauben schenken, da es eine allbekannte Thatsache ist, daß aus dem Geschlecht der Crö… [??] Europa noch keiner verließ. doch auch der Yankee, der sich dem Anbaue von Grund u[nd] Boden widtmet, ist stets der ärmern Klasse angehörig gewesen. denn der Reiche, der nicht selbst arbeiten will, legt sein Capital auf an der weitige Fruchtbringendere Speculationen an, da eine öconomie mit bezahlten Arbeitskräften sich bei dem enorm hohen Lohne der Arbeit stets schlechter rentirt. Zur noch deutlicheren Explication der Sache, folge hier eine wahrheitsgetreu genaue darlegung unserer (meine u[nd] Pauls) Mittel als Anlagscapital zum Beginne einer öconomie. nebst darlegung unserer (schenkt uns Gott nur Gesundheit) nicht auf Hyperbeln sondern auf Gewißheit gegründeten Hoffnungen. Paul nahm aus der Heimath mit 2000 fl. C. M. Nach Abschlag der Reisekosten für beide nebst Einbuße beim Wechseln unseres adelichen Papieres, blieb uns netto zum Beginne 500 Dollars. davon als Ankaufspreis 2er [zweier] Claimrechte, d. h. als Vergütung für Abtretung des Verkaufsrechtes auf 320 Acre Land 100 Dollars. Zu unseren Claimen übernahmen wir vom Norweger 1. trächtiges Schwein, (jetzt hat es 8 Ferkeln) 7 einjährige Schweine u[nd] 40 Hühner. Zum Ankaufe von 2 Ochsen 1 Kuh mit halbjährigen Kalb 1 Wagen, Arbeitsgeräthe u[nd] Hauseinrichtung 200 Dollars. Es verbleibt uns daher zum Leben fürs 1te Jahr 200 Dollars. Jetzt, nachdem wir bereits durch 2 1/2 Monat unsere eigene Wirtschaft führen, kann ich bereits die Summa fürs Anschaffen von Lebensmitteln auf 1 Jahr für 2 Personen angeben. In 2 Monaten (September u[nd] October) brauchten wir 20 Dollars also in einem Jahre 120 Dollars. [20/21] Es verbleibt uns daher dann noch 80 Dollars als Cassacapital. (Ascetisch lebt man bei harter Arbeit natürlich nicht, wir essen reichlich u[nd] massenhaft fleisch, Knödeln, Reis Kartoffel u[nd] trinken guten u[nd] viel Kaffee u[nd] Thee u[nd] nebenbei einen Schluck Whisky u[nd] Bier) Künftiges Jahr 1851 werden wir, (in jedem falle) so viel Mais, Weizen Kartoffel & cetera [u.s.w.] bauen, als wir zu unserem Leben u[nd] Bedarf nothwendig haben, auch produciren wir durch 2 Stutterschweine [??] fleisch genug zum Essen u[nd] nebenbei haben wir dann noch ein Kalb mehr. Ergiebt sich etwa ein überschuß durch Verkaufe von Schweinfleisch oder einigen Mais, so werden dafür 2 Jung oxen angekauft! Im dritten Jahre, wo wir natürlich so viel Boden bereits übergemacht haben, daß er für unsern Bedarf das nöthige ab wirft, müssen wir einen schon ziemlichen überschuß erzeugen, so daß wir das Ankaufscapital von 2 Klaimen pr [per] 400 Dollars gewiß (ohne sangrinischen Berufungen) besitzen, da unser Eigenthum dann eo ipso bereits werthvoller durch Cultur geworden. Bei den ungünstigsten Verhältnissen (u[nd] die müssen wir daher wie jeder, der sich nicht täuschen will, annehmen) werden wir daher nach 2 Jahren Besitzen von 320 Acre Land nebst vermehrten Vieh u[nd] Einrichtungsstand seyn, u[nd] unsere Wohnung so hergerichtet haben, daß sichs für jeden recht gut leben läßt. (N B Ein Acre beträgt 1700  [Quadrat] Klafter ist also um 300 Klafter großer als 1 Strich.) In darlegung des vorhergehenden war ich der Wahrheit im Bezug auf positives ganz getreu, in Annahme des zu Erwartenden durchaus entfernt von allen Hyperbeln, im Gegentheile nahm ich nur das billigst zu Erwartende an, da jeder sich selbst am aller unliebsten täuscht. daß es natürlich an harter, schwerer Arbeit aller Art nicht fehlt, versteht sich von selbst. Wessen Arme Pflug u[nd] Ast zu führen nicht gewärtig [fähig?] sind, der muß nimmer nach America gehen u[nd] öconom seyn wollen, sondern, wenn er herübergeht, etwas anderes ergreifen. [21/22]

Ich will nun weiter nichts detailliren, fiel mir bei Gott das bisherige Aufzahlen u[nd] prosaische Nachrechnen schwer. Ich war nun einmal nie detail Mensch noch weniger Liebhaber von Buchhalterischen Berechnungen. Wems interssirt u[nd] wer Lust u[nd] Liebe zum Nachkommen hat, der werfe kleinliche Bedenklichkeiten weg, denn die taugen nirgends, am allerwenigsten die Americaner. Daß es mir eine ungeheure freude bereiten würde, Einen oder den Andern hier zu umarmen, braucht meine ich, keiner Betheurung; jeder, dem ich im alten Vaterlande als freund zur Seite stand, ist mir hier doppelt lieb. Klenert Forel soll wo möglich Geld auftreiben u[nd] im Verein mit Schürer u[nd] Prinzl u[nd] Ehmig herüber gerudert kommen, wir wollen dann hier eine Colonie gründen, an der Gott im Himmel freude haben soll. Eibicht kann, wenn er kein eitler Plauscher, seinen Entschluß jetzt realisiren, er bringe jene mit, denen Geld mängelt, Gelegenheit mit dem größten Ertrag Mühten zu bauen hat er hier am Wisconsin vollauf.-

Nun habe ich mich bei Gott, vollkommen müde geschrieben, es ist auch bereits 2 Uhr Nachts vorüber u[nd] die Arbeit bei Tage war eben nicht die leichteste. für dießmal also genug, wären die Europaischen Briefschreiben, aber so eifrig, als ich, so würde ich bereits wenigstens einige Bogen in Händen haben. doch Geduld, wenns Herz aufbricht.

Adieu u[nd] Gott mit Euch, Alle Lieben in der Heimath, vergeßt nicht mitunter wenigstens zu gedenken.

                                                                        Eures treuen

                                                                        J. Sternberger.

Wie sehr mich einige Zeilen der guten Mutter erfreuen würden, will ich nicht versuchen zu schildern. Ihren Namen wenigstens mit eigener Hand geschrieben, würde ich als Verzeihung betrachten für All die Sorgen Kummer, die ich ihr bereitet u[nd] als Segen ansehen, für mein künftiges Leben.

Nun nochmals Adieu meine theuere Mutter Geschwister (was macht Ludwig ist Jones bereits Ehr… [??]) Schwager u[nd] Alls Alle Lieben in der Heimath. Herrn u[nd] Frau Prinzl, meine Verehrung Marien meinen herzlichsten Kuß. Klenert Ehmig Schürer Prinzl Peter u[nd] Paul meine werthen freunde grüßend u[nd] brüderlich umarmend. den Brief bitte ich Genannten mitzutheilen, gewiß denken sie durch in der ferne noch an mich u[nd] Nachrichten von mir, werden sie, täusche ich mich nicht, erfreuen.

Bitte um baldige Antwort.